Es gibt Phasen in meinem Leben, da bin ich im Sortier-Modus.
Nicht nur gegenständlich auch personenbezogen. Die Analogie mag sich bedenklich
anhören, fußt aber auf persönlichen Erfahrungen.
Sortieren bringt Ordnung. Das hilft, mich zu orientieren und
fühlt sich irgendwie gut an. Gedanken schweifen, Ideen entstehen und damit
schaffe ich Platz für Neues. Befreiend ist das.
Neulich traf der Sortiermodus auf eine Allianz aus
Gegenständen und Personen. Da gibt es eine Art Album, in dem man Visitenkarten aufbewahren
kann, quasi Zeugnisse verschiedenster Menschen. Adressen, Telefonnummern, Namen
und Funktionen auf Papier. Von mir gesammelt in kleinen Einstecktaschen dieses
Albums, immer mit dem Gedanken, die Karten noch nutzen zu können.
Indem ich den Inhalt ansah, zogen vor meinem geistigen Auge
die Bilder der Menschen hinter den Karten vorbei. Berufliche Begegnungen mit ihnen, Szenen der Vergangenheit, aus einer anderen
Zeit, einem anderen Leben. Die meisten der Visitenkarteninhaber waren für mich
Abschnitts- oder Phasenbegleiter, die inzwischen längst nicht mehr zu mir
gehören. Übriggeblieben von ihnen ist nur das bedruckte Stück Papier. Nun können
sie mit ihren Karten gehen, dachte ich mit einer Mischung aus klarer Sicht und diffusen Gefühlen. Ganz allmählich leerte sich das Album und mit jeder verschwundenen
Karte verabschiedete ich mich langsam aber sicher endgültig von einem
Lebensabschnitt, den ich äußerlich wahrnehmbar schon vor Jahren hinter mir
gelassen hatte.
Als setzte ich einen Haken dahinter und folgte nun endlich konsequent
meiner Entwicklung. Ich sehe heute klarer denn je hinter die Fassaden von
Menschen. Die Visitenkarten gehörten nämlich seinerzeit oftmals solchen, die
mir nur deshalb äußerst freundlich begegneten, weil sie meinen Posten sahen.
Von ihrer Freundlichkeits-Fassade versprachen sie sich offenkundig Vorteile,
betrachteten lediglich meine Funktionen und hatten keinerlei Interesse an der
Person, die ihnen begegnete.
Andere wieder sahen und sehen mich als Mensch und nahmen
mich auch damals nicht allein wegen meines Postens oder irgendwelcher Inhalte
wahr.
Ich musste alle gleichermaßen professionell-höflich
behandeln. Ganz gleich, wie sie sich
benahmen oder was ich von ihnen hielt, sie blieben.
Das hat sich geändert. Professionell-höflich bin immer noch.
Aber heute kann ich über Kommen, Bleiben und Gehen selbst entscheiden.
So gibt es immer noch Visitenkarten in meinem Album, nur
sind es jetzt weit weniger und – ganz andere.
Copyright: Claudia Georgi
Kommen - Bleiben - Gehen: zentrale Lebensthemen, die mit Bewegung und Innehalten zu tun haben. Hast Du sehr gut beschrieben!!!
AntwortenLöschenWie bei einem Buch: Das Leben hat Kapitel. Manchmal beendet man eines und schlägt ein neues auf. Möglicher Weise wird die erzählte Geschichte dann ganz spannend...
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